FLORIAN HESSEN 3 | 2017 13
INTERVIEW
im Umgang mit den Flüchtlingen verfügt
und die unterschiedlichsten Denkweisen
versteht. Zudem ist er aktiv in der Einsatz-
abteilung einer Freiwilligen Feuerwehr und
in der Johanneskirchengemeinde tätig und
dank seiner Dienste laufen alle abge-
stimmten Integrationsprozesse problem-
los.
Herr Hildebrand
Sie haben in der Funktion des Wehr-
führers die Bewerbung für Alheim-
Niederellenbach eingereicht. Bitte
beschreiben Sie kurz die Aktion,
für die Ihre Feuerwehr ausgezeichnet
wurde.
Wir wollen mit unserer Aktion
„Integration
praktisch Erleben“
mehrere Dinge errei-
chen. Zum einen möchten wir das Einleben
in die dörfliche Gemeinschaft erleichtern
und verbessern, zum anderen möchten wir
durch die praktische Arbeit miteinander
das Kennenlernen und gegenseitige Ver-
stehen beschleunigen, damit keine zwei
Lager entstehen können. Natürlich haben
wir auch an unsere Einsatzfähigkeit für die
nächsten Jahre gedacht und hoffen, dass
wir dadurch neue Einsatzkräfte finden.
Dazu gehen wir auf neue Flüchtlinge in Al-
heim zu und versuchen, sie schon frühzei-
tig für die Feuerwehr zu gewinnen. Dafür
unterstützen wir sie auch bei vielen all
täglichen Dingen mit Patenschaften in Zu-
sammenarbeit mit der Flüchtlingshilfe
Alheim. Das beginnt bei Behördengängen,
Deutschunterricht bis hin, mal etwas ge-
meinsam zu unternehmen.
Wie kamen Sie auf diese Idee?
Die Idee kam von Aktiven, die sich in der
Flüchtlingshilfe Alheim engagieren – ein-
fach um das Kennenlernen im Ort zu er-
leichtern. Nach den ersten Treffen haben
wir erkannt, dass dies auch eine Chance
für die Einsatzabteilung sein kann.
Herr Lüdtke
Als Bürgermeister sind Sie ja auch für
die Freiwillige Feuerwehr verantwort-
lich. Wie haben Sie konkret das
Vorhaben empfunden, als Sie davon
erfahren haben?
Da ich auch selbst den persönlichen Kon-
takt zu den Flüchtlingen hatte, war es für
mich ein „Muss“, dass die Männer be-
schäftigt werden. Und was lag da näher,
als den Versuch zu starten, diese in die
Einsatzabteilung einzubinden? Dies hat in
enger Abstimmung mit dem Gemeinde
brandinspektor Bernd Hildebrand, dem
Feuerwehrkameraden Michael Wollert so-
wie dem Wehrführer Matthias Stöhr ein-
wandfrei funktioniert.
Herr Hildebrand
Die Alheimer Feuerwehrangehörigen
sind auf die schutzsuchenden
Menschen zugegangen. Gab es
innerhalb der Feuerwehr auch
kritische Stimmen und wie sind Sie
damit umgegangen?
Kritische kann man nicht sagen. Wir ha-
ben uns im Vorfeld mit den aktiven Kame-
radinnen und Kameraden zusammenge-
setzt, um über mögliche Probleme zu
sprechen. Klar kamen Fragen auf wie das
funktionieren soll, gerade wegen der
sprachlichen Barriere und der kulturellen
Unterschiede.
Sie haben sich bewusst entschieden,
Flüchtlinge anzusprechen, die erst
kurze Zeit bei uns im Land sind. Sie
haben sich damit an dieses Thema
gewagt, obwohl Sie wussten, dass
möglicherweise nicht alle hier in
Deutschland bleiben können. Wie sind
Sie damit umgegangen?
Natürlich wissen wir nicht, ob alle bei uns
bleiben können, aber wir wollten frühzeitig
Kontakte knüpfen. Und wenn sie tatsäch-
lich ausreisen oder abgeschoben werden,
haben wir trotzdem ein bisschen „Entwick-
lungshilfe“ geleistet und – aus erster Hand
– viel über die anderen Länder erfahren,
was wir so nie mitbekommen hätten.
Herr Lüdtke
Warum haben Sie das Projekt
unterstützt?
Der Gemeindevorstand, mit mir an der
Spitze, sowie die Gemeindevertretung der
Gemeinde Alheim haben sich von Beginn
an klar dafür ausgesprochen, Flüchtlinge
aufzunehmen und zu integrieren. Mit un-
serer Willkommenskultur möchten wir die
Flüchtlinge davon überzeugen, bei uns zu
bleiben. Auch, um damit dem demographi-
schen Wandel etwas entgegen zu wirken.
Herr Hildebrand
Wie kam es dann zur Zusammenarbeit
der beiden Ortsteilwehren?
Wir sind auf Heinebach zugegangen, denn
vier der Flüchtlinge, die wir angesprochen
haben, wohnen dort. Es hat funktioniert,
nachdem man die Chance erkannt hat.
Welche hauptsächlichen
Schwierigkeiten mussten Sie
überwinden?
Natürlich die Sprache. Aber wir mussten
auch erst einmal vermitteln, was Ehrenamt
überhaupt bedeutet, denn so etwas gibt es
in anderen Ländern nicht. Dort werden
diese Aufgaben meist durch den Staat
oder das Militär übernommen. Die kultu-
rellen Unterschiede muss man ebenfalls
berücksichtigen. Hier ist es wichtig, nicht
Die angereisten Feuerwehrkameradinnen und -kameraden
aus Niederellenbach und Heinebach beim Gruppenfoto.