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16 FLORIAN HESSEN 3 | 2016

TITELGESCHICHTE

dieser Zeit habe ich aber meine Freundin

kennengelernt und mich dann vor Kurzem

bewusst entschieden, wieder in meine

Heimat zurückzuziehen. Ich möchte mit

meiner Freundin zusammenleben und

meiner Familie und meinen Freunden wie-

der näher sein. Viele meinen, ich wäre to-

tal verrückt, so eine lange Strecke zwi-

schen Arbeit und Heimat in Kauf zu neh-

men. Aber in meiner Heimat habe ich al-

les, was mir wichtig ist, um mich herum.

Für mich ist hier die Erholung wesentlich

größer, als wenn ich weiter alleine in

Frankfurt wohnen würde.

Wie geht es Ihnen mit der

Schichtarbeit?

Im Schichtdienst zu arbeiten heißt, sich

umzustellen und einiges in Kauf zu neh-

men. Ich muss arbeiten, wenn meine

Freunde feiern gehen, und ich muss arbei-

ten, wenn meine Familie unterm Weih-

nachtsbaum die Geschenke auspackt. Das

ist anfangs nicht einfach, aber man ge-

wöhnt sich daran.

Das Dienstplanmodell in Frankfurt ist

derzeit jedoch recht anstrengend. Es ist

ein Mischmodell aus Tagesdiensten und

Nachtdiensten sowie aus 24-Stunden-

Diensten am Wochenende. Zwischen je-

der Schicht haben wir 24 Stunden frei.

Daraus resultiert, dass wir bis auf das

freie Wochenende, welches wir alle drei

Wochen haben, jeden Tag am Arbeits-

platz sind. Entweder gehen wir hin oder

wir fahren nach Hause. Toll finde ich,

dass wir eine dreiwöchige Hospitation

bei einer anderen Berufsfeuerwehr in

Deutschland machen können. Ich war in

Braunschweig bei der Feuerwehr, die ei-

nen 24-Stunden-Schichtdienst mit länge-

ren Erholungsphasen hat, das ist schon

entspannender für den Körper.

Es gibt nur wenige Frauen bei den

Berufsfeuerwehren. Haben Sie für

Frauen, die Interesse an dem Beruf

haben, einen Rat?

Der Rat, den ich habe, gilt nicht nur für

Frauen, sondern auch für die männlichen

Interessenten. Der Erfolg der Bewerbung

steht und fällt mit der Vorbereitung. Ohne

Vorbereitung, vor allem im sportlichen

Teil, braucht man sich nicht bei einer Be-

rufsfeuerwehr zu bewerben.

Was war ihr schönstes, was ihr

schrecklichstes oder schlimmstes

Erlebnis im Dienst bisher?

Ich erlebe so viel, ich kann gar nicht sa-

gen, dass ich ein bestimmtes schönstes

oder schlimmstes Erlebnis hatte. Mein

Bruder fragt mich öfter, was ich so Ver-

rücktes in der letzten Zeit erlebt habe, und

fast immer kann ich ihm was erzählen. Die

meisten Geschichten, die ich erzählen

kann, kommen aus dem Rettungsdienst,

wo Freud und Leid sehr nah beieinander-

liegen können.

Empfinden Sie die Tätigkeit als

körperlich belastend?

Im Einsatz kann es schon einmal vorkom-

men, dass wir hart arbeiten müssen. Die

physische Grundlage dafür können wir

während der Dienstzeit durch Sport auf-

bauen. Es liegt aber an jedem selbst, in

welchem Umfang man das macht.

Wie gehen Sie mit schwierigen oder

belastenden Einsätzen um?

Natürlich haben wir auch belastende Ein-

sätze, aber durch Reden mit den Kollegen

oder Freundin und Familie wird einiges

aufgefangen, und man kann nach einer

Zeit gut damit umgehen. Ich hatte bisher

jedoch das Glück, noch keine wirklich psy-

chisch schwer belastenden Ereignisse

verarbeiten zu müssen.

Wie empfinden Sie die Kameradschaft

in der Berufsfeuerwehr?

Zwar sagen viele meiner älteren Kolle-

gen, die Kameradschaft in der Berufsfeu-

erwehr sei nicht mehr so gut, wie sie

früher einmal war. Ich verbringe jeden

Dienst gerne mit meinen Kolleginnen und

Kollegen. Das ist schon ein sehr gutes

Zeichen einer funktionierenden Kame-

radschaft.

War der Status als Beamter ein Grund

zur Feuerwehr zu gehen?

Anfangs habe ich das schon als Vorteil

gesehen, aber ausschlaggebend war das

nicht. Beamter auf Lebenszeit zu sein,

heißt nicht immer Gutes. Aktuell sorgen

die geringen Gehaltssteigerungen bei mir

und meinen Kollegen für Unmut. Aber ich

habe nun gelesen, dass die Stadt Frank-

furt hier etwas tun wird, das ist gut.

Würden Sie die Entscheidung nochmal

treffen und zur Feuerwehr gehen?

Sofort und „ohne Wenn und Aber“ würde

ich diese Entscheidung nochmal treffen,

auch wenn ich heutzutage weiß, dass der

Schichtdienst ein Einschnitt im Leben ist.

Herr Schlicht, vielen Dank für das

Interview und weiterhin viel Erfolg in

Ihrem Beruf.

Das Interview führte Andrea Dobler,

Redaktion FLORIAN Hessen

Fotos: Mathias Schmidt

Ausgerüstet für den Brandeinsatz