gen fotografieren und begleiten durfte, habe ich erfahren, dass in
Deutschland der größte Teil der Feuerwehr auf Ehrenamt und Frei-
willigkeit beruht. In der Türkei gibt es keine freiwillige Feuerwehr,
es ist ein Beruf. Das habe ich damals nicht direkt verstanden,
weswegen der Respekt umso größer war gegenüber der Feuerwehr.
Hier habe ich gesehen, welch wichtige Bausteine unserer Werte-
gesellschaft Ehrenamt und Freiwilligkeit sind. Mir wurde klar, dass
diese Werte unsere Heimat Deutschland ausmachen.
Es leben rund 160.000 türkische Staatsangehörige inHessen,
dazu kommen sehr viele deutsche mit türkischen Wurzeln.
Es gibt jedoch noch verhÄltnismÄssig wenig türkische oder
türkischstÄmmige Menschen in der Feuerwehr. Glauben Sie,
Menschen mit Migrationshintergrund interessieren sich
weniger dafür, sich ehrenamtlich zu engagieren oder inter-
essieren sie sich nur nicht so sehr für die Feuerwehr?
Für manche Menschen mit Migrationshintergrund ist die Feuer-
wehrarbeit ein Hauptberuf und sie wissen oder verstehen nicht,
was ein Ehrenamt ist. Gerade ältere Menschen tun sich damit
schwer und haben Angst, dass es das Aus für die akademische
Berufskarriere für ihre Enkel ist, wenn sie zur Feuerwehr gehen.
Dies ist leider oft das falsche Verständnis der ersten und zweiten
Generation. In manchen Ländern hat die Feuerwehr auch einen
bitteren Nachgeschmack, da dort Anfang der 70er Jahre die Polizei
keine eigenen Wasserwerfer hatte und dann die Feuerwehr dazu
eingesetzt wurde. Deswegen haben noch viele Vorurteile gegen-
über der Feuerwehr und sie grenzen sich von ihr ab. Umso wichti-
ger ist es, intensiv aufzuklären und gute Werbekampagnen zu
entwickeln, um Jugendliche mit Migrationshintergrund dafür zu
gewinnen, selbst in der Feuerwehr Verantwortung imEhrenamt zu
übernehmen.
Sie beschÄftigen sich mit Integrationspolitik. Welche Rolle
spielen die Feuerwehren derzeit undwelche könnten sie spielen?
Ich glaube, dass gerade die Feuerwehr hier viel leisten kann und
ein wichtiger Integrationsmotor für die Gesellschaft sein könnte.
Freundschaft und das Gefühl füreinander einzustehen sind wich-
tige Grundgedanken, die dieMenschen zusammenschweißen. Egal
welche Sprache man spricht, welche Hautfarbe oder welche Reli-
gionszugehörigkeit man hat, bei der Feuerwehr sind alle willkom-
men. Jeder braucht die Feuerwehr und die Feuerwehr braucht
jeden. Unter diesemMotto ist sie ein wichtiges Fundament für die
Integrationsarbeit. In der Feuerwehr sollte es einen Integrations-
beauftragten geben, der sich speziell dieser Jugendgruppen
annimmt. Alle großen Vereine haben so einen Integrationsbeauf-
tragen. Das könnte ein wichtiger Schritt für die Zukunft sein, um
Menschen für die Feuerwehr zu gewinnen. Es sollte außerdem
verpflichtend werden, dass Kinder in den Grundschulen und in
den Folgeklassen mindestens einmal, Schülerinnen und Schüler
in höheren Klassen zwei bis dreimal im Schulleben die Feuerwehr
besuchen. Dies könnte zumschulischen Bildungsauftrag gehören.
Die Feuerwehren könnten aber auch in den Unterricht kommen
und die Aufgaben und Strukturen der Feuerwehr in den Klassen
erklären. Hier sollte auch die Politik ihren Auftrag erkennen und
das diskutieren.
TITELGESCHICHTE
FLORIAN HESSEN 8 | 2015
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Das beherrschende Thema ist derzeit die grosse Anzahl an
Flüchtlingen, die nach Deutschland kommt. Sehen Sie eher
ein Problem oder eine Chance?
Wie in allen Lebensfeldern im Alltag hat auch dieses Thema – wie
eine Medaille – zwei Seiten. Es kann zu Problemen und Heraus-
forderungen kommen. Es kann aber auch eine Chance sein in einer
Zeit des demografischen Wandels. Wenn die Weichen nicht recht-
zeitig gestellt werden, führt das zu einer unlösbaren Aufgabe. Das
Asylrecht ist ein Menschenrecht und in unseren Gesetzen veran-
kert und darf nicht missbraucht werden.
Wo sehen Sie hier die dringendsten Aufgaben?
Man muss schnell erkennen und schnell handeln. Besonders die
Asylverfahren der Menschen, die keine Berechtigung haben, Asyl
zu genießen, müssen schnell bearbeitet werden. Siemüssen zügig
in sichere Erststaaten oder in die Ursprungsländer zurückgeschickt
werden. Wenn sie dies auf freiwilliger Basis nicht tun, müssen
gesetzlicheMaßnahmen ergriffen und dieMenschen abgeschoben
werden. Gesetzgeber und die Politikmüssen die Gründe des Flücht-
lingsstroms im Ursprung lösen. Deswegen ist das nicht nur eine
Aufgabe des deutschen Staates, sondern des gesamten Europas
und weltweit.
Interview geführt von Florian Hessen
Foto: Ismail Tipi