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FLORIAN HESSEN 6 | 2016 21

AUS DEM EINSATZTAGEBUCH

gespeist. Zwei Minuten nach Betreten des

Gebäudes musste der Angriffstrupp dieses

jedoch wieder verlassen, da die enorme

Wärme bereits durch die Feuerschutzklei-

dung der Kameraden drang. Als der Fahr-

zeugführer des zweiten Löschgruppen-

fahrzeuges eintraf, ordnete dieser die

Menschenrettung durch einen weiteren

Trupp unter Atemschutz an. Dieser betrat

das Gebäude durch eine auf der Rückseite

vorgefundene Tür.

Der diensthabende Zugführer erhöhte,

nach Rücksprache mit Stadtbrandinspek-

tor Sven Weyrauch, die Alarmstufe auf F3.

Daraufhin alarmierte die Leitstelle die Feu-

erwehr Münster, den ELW 2 und löste Sire-

nenalarm in Dieburg aus. Zu diesem Zeit-

punkt entdeckten die Einsatzkräfte im

seitlichen Eingangsbereich eine Person,

deren Verletzungen erkennbar so schwer

waren, dass sie nicht mehr am Leben sein

konnte. Nach kurzer Beratung der Einsatz-

leitung mit der Polizei entschied man

gemeinsam, die Einsatzstelle als Tatort zu

behandeln und die Leiche für die nachfol-

genden Ermittlungen an Ort und Stelle zu

belassen.

Massive Wärmeentwicklung

Wegen der enormen Wärme musste sich

auch der zweite Trupp auf der Rückseite

aus dem Gebäude zurückziehen. Die

Einsatzkräfte öffneten gewaltsam die

Fenster und die Rollläden, da das Hauptau-

genmerk des Einsatzes – durch den tragi-

schen Fund – nun nicht mehr auf der Men-

schenrettung, sondern auf der Brandbe-

kämpfung lag. Zeitweise waren vier

C-Strahlrohre parallel im Einsatz.

Nachbarn berichteten, dass sie bereits am

Vorabend gegen 22:30 Uhr einen „Grillge-

ruch“ wahrgenommen hatten. Dies war ein

Indiz für die Uhrzeit des Brandausbruches.

So erklärte sich auch die massive Wärme-

entwicklung, die ein Betreten des Brand-

raumes nahezu unmöglich machte. Erst

durch intensive Lüftungsmaßnahmen und

das Öffnen der Dachhaut schafften es die

Einsatzkräfte, das Gebäude mit mehreren

Trupps zu betreten. Die Einsatzleitung

errichtete den Abschnitt „Brandbekämp-

fung“, dem sie die Kräfte der beiden Die-

burger Löschgruppenfahrzeuge, zwei

Löschgruppenfahrzeuge der Feuerwehr

Münster sowie die Drehleiter unterstellte.

Zeitgleich hielt sie im ELW 2 eine erste

Besprechung ab, um das weitere Vorgehen

abzustimmen. Durch die Brandeinwirkun-

gen und den hohenWassereinsatz senkten

sich Teile der Erdgeschossdecke in den

Raum. Aufgrund dessen ordnete die Ein-

satzleitung einen Außenangriff an. Sie

untersagte das Betreten des Gebäudes,

nachdem die Leiche – nach vorheriger

Rücksprache mit der Polizei – geborgen

und an den Bestatter übergeben worden

war.

THW trägt Gebäude ab

Die Giebelwände des Gebäudes wiesen

inzwischen eine leichte Neigung auf. Um

die Statik des Gebäudes zu bewerten, zog

die Einsatzleitung Fachberater des THW

hinzu und sperrte den möglichen Trüm-

merschatten ab. Die Einsatzkräfte durften

das Gebäude nun nicht mehr betreten. So

konnten sie die Flammen imObergeschoss

nicht mehr vollständig niederschlagen.

Die Einsatzleitung traf aus diesem Grund

die Entscheidung, die Löscharbeiten auf

der Rückseite einzustellen und das Dach

kontrolliert durchbrennen zu lassen. Erst

nach dem Durchbrennen konnte die Feuer-

wehr das Feuer im Obergeschoss von

außen gezielt bekämpfen. Die letzten

Flammen löschte sie gegen 10:30 Uhr. Zu

diesem Zeitpunkt hatten Brandermittler

und Kriminalpolizei bereits ihre Arbeit auf-

genommen.

In der nächsten Besprechung im ELW 2

wurde gemeinsam mit der Bauaufsicht in

Betracht gezogen, das Gebäude aufgrund

der kritischen Statik abzutragen. Nach län-

gerer Abwägung mit den Ermittlern der

Polizei und den Fachberatern des THW

gaben diese nach eingehender Beweissi-

cherung die Einsatzstelle frei. Nun konnte

die THW-Fachgruppe Räumen aus Groß-

Gerau mit schwerem Gerät zur Einsatz-

stelle in Dieburg anrücken. „Das Abtragen

des Gebäudes durch das THW zog sich bis

in die frühen Abendstunden hin. Zwischen-

zeitlich musste die Feuerwehr immer wie-

der kleinere Brandherde löschen. Die

Einsatzkräfte sperrten anschließend die

Brandruine ab, sicherten sie gegen den

fließenden Verkehr und konnten um 20:46

Uhr den Einsatz beenden“, so der Einsatz-

leiter.

Seelsorgerische Nachbesprechung

Zeitweise waren 79 Kräfte der verschiede-

nen Organisationen am Einsatzgeschehen

beteiligt. Da es für etliche, junge Kamera-

dinnen und Kameraden der erste Brand

war, entschied die Einsatzleitung, um

20:00 Uhr eine seelsorgerische Nachbe-

sprechung im Feuerwehrhaus mit dem

katholischen Pfarrer Vogl abzuhalten.

Mehrere Kameraden bedürfen aufgrund

der psychischen Belastung auch weiterhin

seelsorgerischer Betreuung.

Text: Johannes Weiß

Pressesprecher FF Dieburg

Fotos: Freiwillige Feuerwehr Dieburg

Der Angriffstrupp ging mit Schlauchpaket

durch den Hauseingang vor (l.).

Wegen der Einsturzgefahr konnte mit den

Hohlstrahlrohren nur ein Außenangriff erfolgen (r.).