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Nachkriegszeit Hessen ist amerikanische Besatzungszone. Die Amerikaner und Briten erkennen den hohen Wert der deutschen Brandschutzorganisation, fördern deren Wiederaufbau als eigenständige Organisation der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr. Die Franzosen tun sich damit zuerst schwer, da ihre Widerstandsbewegung häufig bei den französischen Feuerwehren Rückendeckung gefunden hat. Nun hat man Jugendfeuerwehr heute – beim Aktionstag in Marburg feierten, spielten und übten tausende Jugendliche. Sie bewiesen, wie bunt und vielfältig Jugendfeuerwehr ist. Angst, dass sich etwaige Widerstandsbewegungen des untergegangenen NS-Regimes unter dem Deckmantel der Feuerwehr formieren könnten. In der sowjetischen Besatzungszone bleibt die unter dem NS-Regime erfolgte Eingliederung der Feuerwehr in den Polizeiapparat bis zum Ende der späteren DDR bestehen. Viele junge Männer treten in der späteren Wirtschaftswunderzeit nicht mehr so ohne weiteres in die Fußstapfen ihrer Väter, auch wenn die sonntäglichen Feuerwehrübungen mangels anderer Attraktionen eine willkommene Abwechslung sind. Zunehmende Überzeugungsarbeit ist notwendig, um die jungen Männer für die Feuerwehr zu begeistern. Ende der 1950er und zu Beginn der 1960er Jahre bilden sich erste Jugendabteilungen. Eine davon ist die Jugendfeuerwehr Lorsch. Dort findet sich im 2002 erschienenen Festbuch zum 125-jährigen Bestehen der Freiwilligen Feuerwehr folgendes: „Nach einer Werbeaktion in den oberen Schulklassen trafen sich am 4. Oktober 1960 anlässlich der Feuerschutzwoche erstmals interessierte Jugendliche im Gerätehaus. Eine Geräteschau und ein Filmvortrag verschafften uns Jugendlichen einen ersten Einblick in die Arbeit der Feuerwehr. Nach dieser Veranstaltung erklärten sich 28 Jugendliche bereit, der neu gegründeten Jugendfeuerwehr Lorsch beizutreten. Es war die erste Jugendfeuerwehr im Kreis Bergstraße und eine der ersten im Lande Hessen. ….“ Der 2014 verstorbene Friedrich Emig war einer von ihnen. Für den Fachausschuss für Brandschutz- und Feuerwehrgeschichte des LFV Hessen hat er seine Erlebnisse niedergeschrieben: „Wir, die Gruppe der 12- bis 14-Jährigen, trafen uns immer wöchentlich am Donnerstag, um mit dem von Hand gezogenen Schlauchwagen, der alle Geräte für eine Gruppenübung beinhaltete, außer einer Motorspritze, vom Feuerwehrhaus zum Festplatz per Fuß zu ziehen. Ein Jungfeuerwehrmann ging mit einer blinkenden Lampe voraus. Alle Anderen hatten mindestens eine Hand am Schlauchwagen zu haben. Unser Jugendwart Georg Walter ging ebenfalls mit blinkender Lampe hinterher, damit er die gesamte Gruppe immer im Auge behielt. Am Übungsplatz angekommen, wurde der Bereitstellungsplatz hergerichtet und die Gruppe übte nach Vorgabe der Übungsordnung nach „Heimberg Fuchs“ dem Vorläufer der heutigen FwDV 3. Erst nach mindestens drei Übungen wurde wieder zusammengeräumt und der Heimweg angetreten. Der einfache Weg vom Feuerwehrhaus zum Übungsplatz beträgt immerhin etwa 1.200 Meter. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich die heutige Jugend unter diesen Voraussetzungen auf die Jugendfeuerwehr eingelassen hätte. Es war ein anderer Zeitgeist – ohne Handy, PC, iPhone, wenige Fernsehgeräte. Auch für uns gab es dann endlich einen Betreuer mit Führerschein und damit der Umstieg vom Schlauchwagen auf das LF8.“ Gründung der Hessischen Jugendfeuerwehr 1964 wird dann die Hessische Jugendfeuerwehr ins Leben gerufen. Ebenso wie die Vertreter der Deutschen Jugendfeuerwehr muss man sich damals – heute unvorstellbar – manchmal für dieses verdienstvolle Engagement rechtfertigen. 1970 ist der Beitrag von Bundesleiter Kurt Hog für den 24. Deutschen Feuerwehrtags in Münster (Westfalen) mit der Frage überschrieben: „Jugendarbeit in der Feuerwehr – Belastung oder Gewinn?“ Eberhardt Bürger, der Sohn des damaligen Präsidenten des DFV Albert Bürger erinnert sich: „Deshalb hatte er Albert Bürger auch seine Probleme, als die 1964 in Berlin gegründete Deutsche Jugendfeuerwehr … – ganz andere Persönlichkeiten hervorbrachte, Persönlichkeiten, die nicht mehr vom 2. Weltkrieg und kaum mehr von der frühen Aufbauzeit geprägt waren. Schwierigkeiten hatte Vater zum Beispiel mit dem Begriff ›Bildungsreferent‹, und er konnte es nicht nachvollziehen, dass man in einem Verband Bildungsarbeit betreiben musste. … Jugend musste seiner Meinung nach geführt und geleitet werden. Frauen in der Feuerwehr konnte sich Vater durchaus vorstellen, allerdings nur in gewissen Positionen wie beispielsweise in Leitstellen oder im Funkverkehr; hierfür hielt er sie aufgrund der größeren Disziplin, die er ihnen unterstellte, sogar für geeigneter als die Männer. Atemschutzgeräteträgerinnen an „vorderster Front“ eines harten Einsatzgeschehens hielt er jedoch für ausgeschlossen und untragbar. Er tat sich auch schwer mit den jungen Menschen, die natürlich alles – besonders nach 1968 – in Frage stellten und Autorität eben nicht mehr einfach akzeptierten sondern hinterfragten.“ … Holger Schönfeld hat das erste Jahrzehnt (1964–1973) deshalb folgerichtig als die „Dekade des Aufbruchs“ beschrieben und das zweite Jahrzehnt von 1974 bis 1983 als die 14 FLORIAN HESSEN 12/2014


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