FLORIAN HESSEN, Ausgabe 2/2020
B + # 676 +15&8 der Stadtverwaltung, um ihm eine Perspek- tive für die Zukunft zu geben“, weiß Möller noch. Aus allen Richtungen erreicht die beiden große Anteilnahme. Hohe Geldsummen werden gespendet. Die Band Screw Loose nimmt ein Lied auf und überlässt der Feu- erwehr Marburg den Verkauf der CDs und damit die Einnahmen. Benefizveranstaltun- gen finden statt. Wirtschaft, Handel und Privatpersonen steuern hochwertige Ge- winne zur Tombola bei. Die Kinobetreiber Klosmann veranstalten Filmabende mit dem Feuerwehrfilm „Backdraft“. Die Ein- trittsgelder gehen an die schwerverletzten Feuerwehrmänner. Ebenso Gelder aus Bußgeldverfahren, die auch heute noch durch das Gericht gemeinnützigen Einrich- tungen zugewiesen werden können. Sobald es geht, kehren Hagenbring und Schmidt wieder zur Feuerwehr zurück. Auch Berdux ist wieder im Einsatz. „Einmal Feuerwehr, immer Feuerwehr“, beschreibt Merle das einzigartige kameradschaftliche Miteinander, das die Feuerwehr ausmacht. Und alle stimmen ihm zu. Für Schmidt, der nach dem Unfall weiterhin in der Schlauch- werkstatt beim Brandschutzamt arbeitet, werden eine automatisierte Schlauchreini- gungsanlange sowie Greifwerkzeuge ange- schafft. Darüber hinaus entdeckt er eine neue Passion: Die Ausbildung der Maschi- nisten. Er bringt Feuerwehrmännern und - frauen das Fahren der großen Geräte bei. „Ob Drehleiterwagen oder Löschfahrzeug, jedes Auto bei uns hatte seine Eigenart“, weiß Schmidt zu berichten. Und diese gab er mit Freude an seine Kameraden weiter. Bis zu seinem Ruhestand 2014 ist Schmidt beim Brandschutzamt beschäftigt. Danach entschließt er sich, mit seiner Frau in den Norden zu ziehen. „Bei einem Besuch im Landkreis Oldenburg, 70 Kilometer von der See entfernt, bemerkte ich, dass ich dort viel besser atmen konnte“, erinnert sich der Hobbykoch. Durch den Brandunfall habe er neben den hochgradigen Verbren- nungen auch eine Rauchgasvergiftung davongetragen und damit schwere Atem- wegsbeschwerden gehabt. An seinem neu- en Wohnort huste er viel weniger und kön- ne besser durchatmen. Im Herzen sei er aber nach wie vor Marburger und lasse den Kontakt zu seinen ehemaligen Kame- 1 C #$ %& " 'C 2 * 4 ! raden nicht abreißen. Und jedes Jahr am 28. April – da stößt er mit seiner Frau Moni mit einem Gläschen Sekt auf seinen zwei- ten Geburtstag an. Michael Hagenbring ist da anders. Der heute 45-Jährige denkt nur noch wenig an die Vergangenheit zurück. Der 28. April ist für ihn normalerweise ein Tag wie jeder an- dere, außer in diesem Jahr. Da ist er sich des traurigen Jubiläums durchaus be- wusst. Ähnlich wie Lothar Schmidt ist er dankbar, dass die Rettungskette im An- schluss an den Unfall so gut geklappt hat. Dass gleich Rettungshubschrauber und Betten in den Spezialkliniken bereitstan- den, dass Familie, Freunde und Kameraden für sie da waren und dass man ihnen im- mer die Möglichkeit gab, über die Ereignis- se zu reden. Darüber hinaus habe die Unfallkasse Hessen sich intensiv um die beiden Verletzten gekümmert und auch ihre Familien in dieser schweren Zeit unterstützt. „Ich war allerdings schnell der Meinung, dass mich jammern nicht weiterbringen würde“, erzählt Hagenbring. Schon wäh- rend seines Krankenhausaufenthalts lässt ihm sein Physiotherapeut, mit dem er auch noch nach 25 Jahren in Kontakt steht, keine Schwäche durchgehen. „Er trieb mich an und half mir, stärker zu werden“, erinnert er sich an die schwere Zeit im Krankenhaus. Auch sein Freundeskreis und seine damali- ge Freundin und jetzige Ehefrau Nadja bau- en ihn auf. Er kehrt zur Feuerwehr zurück, fährt zu Alarmierungen und unterstützt da- bei die Einsatzleitung. Eigens für ihn wird ein Einsatzwagen mit Lenkradknauf verse- hen, damit er trotz der Beeinträchtigung der Hände das Fahrzeug steuern kann. Auch beruflich entwickelt sich bei dem da- mals 20-Jährigen alles zum Guten. Das An- gebot der Stadt, eine Ausbildung zum Ver- waltungsfachangestellten, nimmt er 1997 an. Heute ist er im Straßenverkehrsamt der Stadt Marburg beschäftigt. „Weder Lothar noch ich hadern mit dem, was uns passiert ist“, fasst Hagenbring zusammen. Beide sind mit ihrem Leben zufrieden und glück- lich, dass ihre Feuerwehrkameraden durch die verbesserte Schutzkleidung heute sicherer sind als sie es selbst damals, am 28. April 1995, waren. T EXT : V IKTORIA F ISCHER ( IM A UFTRAG DER U NIVERSITÄTSSTADT M ARBURG )
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