FLORIAN HESSEN 6 | 2016 11
skeptische Blicke. Aber das hat sich ganz schnell in der Praxis
„entschärft“. Sicher gibt es Berührungsängste, aber ich versuche
immer, diese von meiner Seite aus zu überwinden. Auch von mei-
nen Mitschwestern gab es anfangs Unverständnis für mein Enga-
gement. Aber inzwischen ist das einer Dankbarkeit gewichen,
denn durch meine Kontakte zur Feuerwehr haben wir ein anderes
Verhältnis zur hiesigen Bevölkerung bekommen, das merke ich
immer wieder.
Können Sie uns ihre erste Begegnung, das erste Gespräch
schildern, mit dem Sie in die örtliche Feuerwehr gekommen
sind?
Im September 2014 habe ich mich demWehrführer und dem stell-
vertretenden Wehrführer im Feuerwehrhaus in Eibingen vorge-
stellt. Nach anfänglicher gegenseitiger Unsicherheit, wie man
sich begegnen soll – das allgemeine „Du“ in der Feuerwehr war
für mich kein Problem – und dem kleinen Schock über mein
„hohes“ Alter von 50 Jahren, „Für den Atemschutzlehrgang bist
Du zu alt“, sollte ich einfach mal an den regelmäßigen Übungen
teilnehmen. Die erste Übung hat mich sehr beeindruckt. Die
Kameraden übten einen Zimmerbrand mit vermissten Personen.
Es kam eine Nebelmaschine zum Einsatz – echt aufregend, wenn
man das noch nie erlebt hat. Dann habe ich mich ziemlich schnell
zum Grundlehrgang im Februar 2015 angemeldet.
Haben Sie das Gefühl, anders behandelt zu werden oder
sind sie eine Kameradin wie alle anderen?
Manchmal werde ich schon ein bisschen „vorsichtiger“ behan-
delt, aber das möchte ich im Grunde gar nicht. Ich bin ja eine
Kameradin wie alle anderen auch. Die meisten behandeln mich
aber ganz normal.
Vielleicht eine etwas banale Frage – aber haben Sie ihre
Ausbildung auch in Ihrer Schwesterntracht absolviert?
Die Lehrgänge wie auch den Übungsdienst absolviere ich in den
gleichen Uniformen wie die anderen. Meine „Dienst-Uniform“ ist
allerdings meine Schwesterntracht. Das ist die einzige Aus-
nahme, die ich mir herausnehme, was bisher noch niemand
bemängelt oder kritisiert hat.
Was hat Sie bei Ihren bisherigen Einsätzen
am meisten bewegt?
Mich bewegt immer wieder, wenn ich sehe, wie meine Kameradin-
nen und Kameraden ganz selbstverständlich anderen Menschen
zur Hilfe kommen –einfach so. Das ist ja nicht selbstverständlich.
Ein Einsatz in diesem Jahr hat mich besonders bewegt: Ein Mann
hat seine Frau mit Benzin übergossen und angezündet. Die Kinder
INTERVIEW
haben es, soweit ich weiß, unmittelbar mitbekommen. Die Eltern
sind jetzt beide tot und das Haus fast abgebrannt. Das war auch
für die Einsatzkräfte sehr ergreifend.
Wir haben von der „Nonne in der Feuerwehr“ vor einigen
Monaten von einem Ihrer Kollegen erfahren und hatten
seitdem geplant, Sie im FLORIAN Hessen vorzustellen.
Zwischenzeitlich haben verschiedene Medien und Sender
über Sie berichtet. Schlagworte wie: „Die Nonne, die nichts
anbrennen lässt“ etcetera. haben Sie im hiesigen Raum und
teilweise darüber hinaus bekannt gemacht. Ist das für Sie
beruflich und/oder persönlich eher erfreulich oder
problematisch?
Das große Medieninteresse an der „Nonne, die nichts anbrennen
lässt“, ist für mich nicht sehr problematisch sondern vielmehr ein
bisschen unverständlich. Ich mache ja eigentlich nichts Besonde-
res, weder als Schwester oder Nonne noch als Feuerwehrfrau.
Aber wahrscheinlich ist es einfach die Kombination von beidem,
die so „exotisch“ ist. Wenn ich dadurch allerdings für die Arbeit
der Feuerwehr und das Klosterleben Werbung machen kann und
den Menschen etwas von dem, was mir wichtig ist, weitergeben
kann, freut es mich natürlich sehr.
Was wäre Ihr größter Wunsch für die heimische Feuerwehr
Eibingen und die Feuerwehren insgesamt?
Für die Eibinger Feuerwehr wünsche ich mir viel Nachwuchs, vor
allem auch ein paar Frauen! Für die Feuerwehren allgemein wün-
sche ich mir mehr Wertschätzung in der Bevölkerung und viele
neue Mitglieder!
Das Interview führte Andrea Dobler, Redaktion FLORIAN Hessen.
Fotos: Abtei St. Hildegard; Angela Jakob
Schwester Andrea in
ihrer eigentlichen
„Dienstkleidung“.