TITELGESCHICHTE
FLORIAN HESSEN 1 | 2016
9
Interview mit Michael Kittel, stv. Landesjugendfeuerwehrwart
Herr Kittel, was ist für Sie Demokratie?
Demokratie lernen ist ein wichtiger Bau-
stein der Arbeit von Jugendverbänden. Aber
wie kann Demokratie vermittelt werden?
Einwichtiger Ort, umdemokratisches Han-
deln zu erlernen, sind die Jugendfeuerweh-
ren. Rechtsextremismus, Rassismus, Anti-
semitismus, Heterosexismus und viele
weitere Formen von Diskriminierungen sind
nicht mehr nur Randerscheinungen. Rechts-
extremes Gedankengut ist fester Bestand-
teil von Sprüchen, Witzen und Meinungen.
Es zeigt sich als Lifestyle durch Kleidung,
Symbole, Schmuck oder Musik. Das alles
ist in der Mitte der Gesellschaft und damit
auch in Jugendverbänden verbreitet. Für
uns steht fest: In unserem Verband dulden
wir kein rechtsextremes Gedankengut,
keine Diskriminierungen und Ausgrenzung
– wir sind demokratisch!
Zu Beginn des Projektes „Jugendfeuerwehr
– Strukturfit für Demokratie“ standen die
Fragen: Wie wird die Jugendfeuerwehr „fit“
für Demokratie? Wie kann ich Demokratie
im Alltag aktiv gestalten? Woran erkenne
ich Diskriminierendes? Was ist Teil rechts-
extremer Ideologien? Was kann ich prak-
tisch tun? Welche Ansprechpartnerinnen
und welche Ansprechpartner helfen mir,
wenn mir etwas Verdächtiges auffällt?
Mit dem Projekt haben wir Anregungen,
Methoden und Bildungseinheiten konzi-
piert und erarbeitet und Expertengruppen
gebildet, damit es den Jugendfeuerwehren
einfacher fällt, auf verschiedene Formen
von Diskriminierungen zu reagieren!
Was ist der Braunmelder und wurde er
auch genutzt?
Der Braunmelder ist eine Art Melde- aber
auch Informationssystem. Er wurde seit
Start des Projektes rund 20 Mal mit fachli-
chem Hintergrund genutzt. Aber oft nicht
nur, um einen „Problemfall“ zu melden,
sondern oft, um gezielt Informationen zum
Thema zu bekommen und Beobachtungen
besser einschätzen zu können. Hier liegt
auch unser weiterer Schwerpunkt: Erken-
Wo und wie konnten Sie helfen?
Ich denke, wir konnten bisher jedemVorfall
und jeder Anfrage gerecht werden. Wir tre-
ten nach der Meldung mit der Person in
Kontakt. Danach erörternwir, wie dringlich
das weitere Vorgehen ist, bis hin zu der
Frage, welche Potenziale und Möglichkei-
ten wir bei einem Vor-Ort-Gespräch einlei-
ten werden. Das alles geht nur gemeinsam
zwischen Feuerwehr, Jugendfeuerwehr,
Verantwortlichen und ggf. der Politik. Eine
solche Meldung kann uns auch schon ein-
mal mehrere Monate beschäftigen.
Glauben Sie, dass die Feuerwehren mit
Rechtsextremismus mehr oder weniger
Probleme haben als andere Verbände?
Meine persönliche Meinung? Ich glaube
nicht, dass die Feuerwehr mehr Probleme
hat, rechte Gesinnung in den eigenen Reihen
zu bekämpfen. Natürlich gibt es viele inter-
essante Ansatzpunkte, welche Personen es
zur Feuerwehr hinzieht, seien es Uniformen,
Kameradschaft, aber auch „Befehl & Gehor-
sam“. Feuerwehr hat schon immer einen sehr
hohen Stellenwert in der Bevölkerung und
wird auch in Zukunft alles dafür tun, um die-
sen Platz 1 in Zukunft zu halten.
Wo könnte/sollte mehr geschehen?
Darf ich jetzt in der Wunschkiste kramen?
Wir sehen selbst, wie stark z.B. der Flücht-
lingsstrom zurzeit nach Europa drängt. Wir
als Feuerwehren und Jugendfeuerwehren
wollen Kinder und Jugendliche früh-
zeitig in unseren Reihen in-
tegrieren. Ganztagsschulen
und das gerade erst ge-
schlossene Kooperationsab-
kommenmit demKultusminis-
terium bieten hier riesige Po-
tenziale, die wir zeitnah nutzen
sollten. Aber, wie immer im Le-
ben, ist dafür Geld notwendig.
Ich wünsche mir, dass diese
Gelegenheit und das darin ste-
ckende Potenzial von Seiten der
Feuerwehren genutzt und auf po-
litischer Seite gefördert werden.
Das Interview führte Andrea Dobler, Redak-
tion FLORIAN Hessen.
Foto: Michael Kittel
Grafik HJF
nen und sensibilisieren – Vertrauen schaf-
fen & Informations- und Ausbildungs-
schwerpunkte anbieten.
Vielmals sind es Themen und Beobachtun-
gen aus dem Umfeld der Feuerwehr. Aber
auch aus dem privaten Bereich kamen An-
fragen. Neben den Meldungen über den
Braunmelder bekommen wir Anfragen zur
Zusammenarbeit aus Mitgliedsverbänden
des Beratungsnetzwerkes Hessen bei de-
nen sich Schnittmengen zur Feuerwehr
ergeben. Eines lässt sich sagen : Braunmel-
der, Rex-Lotsen und JUGENDFEUERWEHR
– strukturfit für Demokratie haben eine
stetig interessierte Arbeitsgruppe wach-
sen lassen, welche ihren Schwerpunkt zur
Bekämpfung von Extremismus nicht in den
Jugendfeuerwehren, sondern den aktiven
Wehren gefunden hat.
Sie Leiten die Gruppe der Rex-Lotsen
– was ist das?
Rex-Lotsen sindMenschen aus ganz Hessen
und allen Ebenen der Feuerwehr, die sich
demThema Rechtsextremismus widmen, um
Ausbildungs- und Fortbildungskonzepte bei
Feuerwehren und Jugendfeuerwehren anzu-
bieten. Wir arbeiten mit
demBeratungsnetzwerk
Hessen vertrauensvoll
zusammen. Gerne sind
wir hier Ansprechpart-
ner für andere Organi-
sationen, Vereine oder
Verbände. Im Gegen-
zug erfahren wir Un-
terstützung und Zuar-
beit in eigenen La-
gen.
Neben dieser prä-
ventiven Seite ste-
hen wir im soge-
nannten „Alarmfall“ über den Braunmel-
der
(www.JF-Hessen.de)rund umdie Uhr für
Meldungen und Beobachtungen im Bereich
Rechtsextremismus zur Seite. Danach spre-
chen wir die weitere Vorgehensweise zeit-
nah und persönlich individuell ab.
Demokratie leben